

Stellen Sie sich eine blühende Wiese vor, mit sich bewegenden Gräsern, grasenden Tieren und sich versteckenden Raubtieren. Vielleicht denken Sie dabei an die Steppe oder an Wiesen in Europa, aber eine solche Welt existiert auch unter der Meeresoberfläche. Ich spreche von Seegraswiesen. Seegräser sind die einzigen Blütenpflanzen, die vollständig unter Wasser leben. Wie Landpflanzen haben sie Wurzeln, einen Stamm, Blätter, Blüten und Samen. Sie leben in flachen Gewässern auf der ganzen Welt, von tropischen bis zu gemäßigten Regionen. Diese Seegräser bilden ausgedehnte Wiesen in meist klaren Gewässern, wo sie von Pflanzenfressern wie Seekühen (Manatis und Dugongs), Meeresschildkröten, Seevögeln, Seeigeln und vielen Fischen abgegrast werden, die wiederum Nahrung für Raubtiere wie Haie, Rochen, aber auch uns Menschen sind.
Seegraswiesen sind nicht nur Lebensraum und Aufzuchtgebiet für viele Tiere, sondern bieten auch andere Ökosystemleistungen. Eine davon ist der Schutz der Küste vor Erosion. Die flexiblen Blätter dämpfen die Wellenbewegung und verringern so die Auswirkungen auf die Küste. Darüber hinaus fungieren Seegraswiesen als Sedimentfallen und schützen so beispielsweise Korallenriffe vor zu vielen Sedimenten. Diese Filterwirkung beschränkt sich nicht nur auf Sedimente. Auch Schwermetalle und Mikroplastik werden auf diese Weise zurückgehalten. Darüber hinaus binden Seegräser große Mengen an Kohlendioxid und speichern es in ihren ausgedehnten Wurzelsystemen, was zur Bekämpfung des Klimawandels beiträgt.
Wenn Sie das nächste Mal ans Meer fahren, halten Sie Ausschau nach Seegraswiesen. Es ist ein unvergleichliches Gefühl, über eine solche Wiese zu gleiten, die voller Leben ist.
Von Horst Schulte
Fotoquellen:
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