Heute gab es ein sehr interessantes Gespräch mit einem Gast auf unserer Morgenfahrt mit der Ribeira Brava. John koordiniert und leitet Forschungsprojekte in Finnland. Er sprach den Großmuttereffekt an! In Finnland wurden die alten Kirchenbücher einer näheren Betrachtung unterzogen. Sie fungierten als eine Art prähistorisches „Facebook“. In diesen Kirchenbüchern wurden dort nicht nur Hochzeiten, Geburten und Todesfälle verzeichnet, sondern auch Hobbys, Vorlieben, Wegzug der Bevölkerung etc. festgehalten. Unter anderem wurde dort ein sehr wichtiges Detail eingetragen. Es ging darum, ob die Großmütter bei der Familie oder anderswo lebten. Bei späterer Betrachtung entdeckte man einen sehr interessanten Zusammenhang. Wenn die Großmutter mütterlicherseits im selben Haus oder in der unmittelbaren Nähe lebte und somit regelmäßigen Kontakt zu ihren Enkelkindern unterhalten konnte, gab es in der Familie mehr Nachwuchs, als wenn dies nicht der Fall war. Konnte die Mutter ihre kleinen Kinder an die Oma abgeben, war sie eher wieder in der Lage ein weiteres Kind zu bekommen. Man fand heraus, dass die Anwesenheit der Großmutter die Überlebensrate der Enkelkinder signifikant steigern kann. Damals war die Sterberate der Kleinkinder enorm hoch. War aber eine Großmutter mütterlicherseits vorhanden, stieg die Überlebensrate der Kinder zwischen zwei und fünf Jahren um 30 % . Je weiter die Großmutter von ihrer Tochter entfernt lebte, desto geringer war der sogenannte Großmuttereffekt. Pro 100 km bedeutete es 0,6 Kinder weniger pro Frau. Ein interessanter Fakt ist, dass dieser Oma Effekt scheinbar nur bei der mütterlichen Linie funktioniert.
Auch im Tierreich wurde dieser Großmutter Effekt beobachtet und beschrieben. Zwei Säugetierarten, die in einer matriarchalen Struktur leben, wurden dabei genauer betrachtet. Zu diesen beiden Arten zählen Elefanten und Orcas. Orca Weibchen treten mit ca. 40 Jahren in die Menopause ein. Man kam zu dem Schluss, dass wenn die Großmutter nicht mehr reproduktionsfähig ist, sie weniger für den Eigenbedarf braucht. Sie benötigt nicht mehr so viel Nahrung für ihre eigene Milchproduktion oder Versorgung der eigenen Kälber. Der Oma Effekt zeigt sich in diesem Fall besonders deutlich, wenn die Nahrung, zum Beispiel der Lachs nicht reichlich zur Verfügung steht. Orca Omas teilen ihre Beute mit den anderen Mitgliedern der Gruppe. Bei Orcas ist es eine Großmutter, welche die Jagd anführt. Sie gibt ihre Erfahrung auch an die anderen Gruppenmitglieder weiter. Zudem babysittet die Orca Oma ihre Enkel. Orcas sind neben Menschen, die Lebewesen, die die längste post produktive Lebensspanne im Tierreich haben.
In unserem Gespräch kam die Frage auf, ob dieser Großmutter Effekt auch bei Pilotwalen zum Tragen kommt. Dies ist eine sehr interessante Überlegung. Pilotwale sind wie Orcas ebenfalls matriarchal organisiert. Auch hier tritt das weibliche Tier recht früh, nämlich mit ca. 35 Jahren in die Menopause ein. Also könnte die Vermutung nahe liegen, dass der diese Frage möglicherweise bejaht werden könnte. Studien dazu sind jedoch nicht vorhanden.
Heute hatten wir wunderschöne Begegnungen mit Kurzflossen Pilotwalen (Globicephala macrorhynchus) und Großen Tümmlern (Tursiops truncatus). Am Nachmittag wurden wir mit besonderen Besuchern, den Rauzahndelfinen (Steno bredanensis) überrascht. Sie waren, wie meistens, sehr kuschelig. Die Gäste waren begeistert.
Den Teil eines Netzes konnten wir aus dem Meer fischen. Eine Gefahr weniger für Meeresschildkröten und Seevögel, die sich in solchen Netzen verheddern.
Von Fatima Kutzschbach
Sichtungen des Tages
Ribeira Brava
10:00 Pilotwale, Große Tümmler
Stenella
10:00 Pilotwale, Große Tümmler
15:00 Pilotwale, Große Tümmler, Rauzahndelfine